Hans Martins Bastelseiten
Nun also doch: Letzte Änderung an dieser Seite: 19.9.2022 |
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1. Wozu befasst sich der Mensch mit antiquierter Musik-Wiedergabetechnik ?
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2. Die Innereien
Jedenfalls, ich hatte vom Schlacht-sorgen, wenn ich so sagen darf, einen schweren Karton mit dicken, Phenol ausschwitzenden Transformatoren, staubverklebten Röhren, Lautsprechern mit spröder Papiermembran, Selengleichrichtern und diesen lustigen kleinen Wurstschneidemaschinen mit ihren stumpfen Messerstapeln, die man auch als Drehkondensatoren bezeichnet. Nicht zu verachten, die undurchschaubaren Löt- und Drahtkunstwerke mit Reihen von schwergängigen Schaltkontakten, kleinen und großen Spulen und Kondensatoren. Die ich aber entsorgt habe, da, wie gesagt, undurchschaubar.
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3. Geduldsprobe
Wenn meine Geduld aufgebraucht war, was üblicherweise nach ein paar Monaten leidvollen, kritischen Hinhörens geschah, kam ich zu einem Entschluß. Dann war wieder Basteln angesagt. Das alles tat ich, um in meinem Zimmer die Musik aus meinem Toshiba- Kasettenrekorder abzuspielen, den ich einst zur Weihnachtsbescherung von meinem Eltern als Geschenk bekommen habe. Und die Musik klingt aus einem knackenden und brummenden Röhrenverstärker eindeutig und tatsächlich besser als aus dem quakenden Plastikapparat. Das wird der schärfste Kritiker der audiophilen Röhrenszene nicht bestreiten. Fotos davon habe ich leider nicht gemacht. |
4. Abkehr von der elektronischen Realität
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5. Röhren als Ausweg in der digital-pandemischen Zwangslage
Das letzte Exemplar, das ich vor nun fast 15 Jahren zusammengelötet und -geschraubt habe, existierte noch. Es steht jetzt wieder in unserem Wohnzimmer, entstaubt und poliert. Ich hatte damals bereits ein Oszilloskop zur Verfügung und allerlei Messungen zu Leistung, Frequenzgang und Verzerrungen gemacht. Diese Arbeit hat sich ausgezahlt. Der Verstärker ist an den Kopfhörerausgang unseres digitalen Fernsehers angeschlossen. |
6. Die Depressionen des Alters
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7. Wieso Ansprüche immer bescheidener werden
Ich muss hier nämlich mit einem positiven Vorurteil über die Akustik in Konzert- und Opernsälen aufräumen. Sie ist, verglichen mit dem Klang einer professionell produzierten Musik-CD, ausgesprochen miserabel. Der Klang eines großen Orchesters erscheint in einem voll besetzten Konzertsaal dumpf. Die tiefen Töne sind schwammig, die hohen Lagen der Streicher und Holzbläser versickern schon in den mittleren Reihen des Parketts.
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8. Die Rückkehr zur Tradition
Technisch gesprochen: der Frequenzgang ist lausig, die Intermodulation nervig, und der Störpegel asthmatisch. Mein Bastelverstärker und sein Holzlautsprecher sind auch nicht schlimmer. * * * |
Der allgemeine Aufbau
Der Verstärker besteht aus mehreren Modulen: das Netzteil und ein Mono-Verstärkerteil. Jedes davon ist auf einem eigenen Alugehäuse aufgebaut.
Masse oder nicht Masse? Ein wichtige Maßnahme bei der Verdrahtung der Schaltung möchte ich hervorheben, die das Hintergrundbrummen praktisch vollständig beseitigt hat. Ich habe alle Verbindungen der Elektronikmasse konsequent an den Fußpunkt der Vorstufenröhre gelegt (und sonst nirgends), an die Masseseite des 220-Ohm-Widerstandes in der Katodenleitung der EF 86. Das gilt sowohl für die Stromversorgung aus dem Netzteilmodul, für sämtliche kleinen und großen Siebkondensatoren, das Gegenkopplungsnetzwerk, als auch für die Masse der Eingangs-Cinch-Buchse und des Lautstärkereglers. |
Erst mal das Schwermetall abfertigen... Das Netzteil besteht aus einem dicken Trafo, der tatsächlich für zwei Verstärkermodule ausreichend stark ist. Für 5 Euro ersteigert. Die EZ 81 hat schon ein paar Betriebstunden hinter sich. Sie kommt aus der Resteverwertung. Übrigens sieht man auf dem oberen Bild links noch eine Siebdrossel. Das ist eine Drossel aus einem Leuchtstoffröhren-Zündgerät. Hier der Schaltplan des Netzteils, wie er zu Anfang war: Ebenfalls von Gewicht: der Lautsprecher
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Die Verstärkerschaltung
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Alternativen bei den Röhren Die Vorstufe muss keineswegs unbedingt eine EF 86 sein. Die ist nämlich ziemlich kostspielig, obwohl, wie unten im Bild, sich viele Hersteller bis heute darum bemühen. Diese Wahl hat auch interessante Vorteile. Die Verwendung einer Triode ist an dieser Stelle wegen der zu geringen Verstärkung nicht zu empfehlen. Man braucht die hohe Spannungsverstärkung einer Pentode. Dadurch schafft man Spielraum, um mit dem recht simplen Verstärker durch Gegenkopplung einen guten Frequenzgang zu erreichen. V = S RA Das ist das Produkt aus Steilheit S und Anodenwiderstand RA. Bei einem Anodenstrom von 1,5 mA, RA = 100 kΩ und S = 1,6 mA/V ergibt sich für eine EF 86 eine Spannungsverstärkung von V = 160. Am Anodenwiderstand fallen 150 Volt Gleichspannung ab. Das ist wenig. Es verbleiben dann etwa 70 bis 80 Volt für die Anode der EF 86. Das ist vollkommen ausreichend. Schauen wir auf andere Röhren:
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Der Ausgangstrafo und wie man ihn "anpasst"
Zur Abstimmung des Arbeitspunktes von Endröhre und Trafo wird der Sinusgenerator mit ca. 1 kHz an den Eingang des Verstärkers angeschlossen und der Rheostat an den Ausgang. Das ist in obigem Schaltplan gezeigt. Der Rheostat wird auf ein paar Ohm eingestellt. Das Oszi zeigt den Schwingungsverlauf am Ausgang und zum Vergleich auch das Eingangssignal. Nun dreht man den Lautstärkeregler so weit auf, dass am Ausgang ein möglichst hohes, aber noch einigermaßen sinusförmiges Signal erscheint. Wenn nun der Rheostat verstellt wird, dann wird sich die Form des Ausgangssignals ändern. Die ehemalige Sinuskurve wird entweder an der oberen oder an der unteren Halbwelle gestaucht werden, oder sie wird runder. Der Rheostat wird nun so eingestellt, dass der Sinus möglichst "gut" aussieht. In meinem Fall ging es noch eine Runde weiter. Das Zwischenergebnis: 2,7 Watt an 5 Ohm bei 10 Prozent Verzerrung. Das ist nicht gerade rekordverdächtig. Doch nun kommt die Schraubzwinge zum Einsatz. Ich habe sie zunächst etwas fester angezogen und die Messung widerholt. Dann habe ich das Joch abgenommen, einen dünnen Kartonstreifen daruntergelegt, und das Paket in der Schraubzwinge wieder neu eingespannt: 3,1 Watt. Nach weiteren Versuchen bin ich, wie ich glaube, der existenziellen Realität des kleinen Trafos ziemlich nahe gekommen: 3,7 Watt an 4 Ohm bei weniger als 8 Prozent Oberwellen. Das Resultat habe ich mit einem festen Metallbügel und stabilen Gewindeschrauben sorgfältig auf dem Metallchassis konserviert. Mehr geht nicht. Das heißt, ich könnte ihn auf über 4 Watt hochheizen, wenn ich den Ruhestrom der Endröhre von 45 auf 50 mA erhöhe. Aber Pfui! Das wäre wie Doping im Sport! Natürlich habe ich mit dem Oszi auch primärseitig Strom und Spannung am Trafo gemessen. Ergebnis: die 6V6GT pumpt 5,1 Watt reale Wechselstromleistung in den Trafo hinein, damit 3,7 Watt herauskommen. Das klappt bei Frequenzen zwischen 140 Hz und 4 kHz ziemlich zuverlässig. Unter 80 Hz schöpft die Röhre den möglichen Spannungshub nicht mehr voll aus. Die Induktivität der Primärwicklung ist zu klein. Oberhalb von 8 kHz fällt der Wechselstrom durch die Wicklung deutlich ab. Das magnetische Streufeld ist zu stark und der Trafo hat eine Eigenresonanz. Bei 12 kHz knistert es am Röhrensockel. Die Spannungsamplitude ist höher als die Durchschlagsfestigkeit irgendeines Bauteils. Aber wir sind noch nicht am Ende. Die Überschläge habe ich übrigens abstellen können, indem ich einen Kondensator von 1,5 nF in Reihe mit einem Widerstand von 27 kΩ parallel zur Primärwicklung geschaltet habe. Durch dieses Dämpfungsglied verliert die Endstufe des Verstärkers bei Frequenzen über 5 kHz an Leistung, und die Eigenresonanz ist gebändigt. Aber wer mag schon einen Pfeifton mit einer Frequenz von 10 kHz und 3,7 Watt Schallleistung ertragen ? |
Die frequenzabhängige Gegenkopplung und wie man sie optimiert
Wer denkt, jetzt sei der Verstärker schon recht brauchbar, der wird sich wundern. Ich empfehle nun eine Hörprobe, also einen CD-Player anschließen und auf Start drücken. Am besten eine CD mit leisen und lauten Stellen. Vielleicht den Bolero von Maurice Ravel. Fängt ganz leise an und geht am Schluss an die Ohren. Oder Siegfrieds Tod aus der Götterdämmerung, die Stelle mit dem markerschütternden Posaunenstoß, wenn der Held endgültig tot zusammenbricht ? Ein Orgelwerk von Johann Sebastian Bach, Präludium und Fuge, egal welche Tonart. Deftige Bässe im Pedal.
Diese Grafik zeigt die Spannung am Ausgang des Verstärkers, die sich im Frequenzbereich zwischen 1 und 20 kHz einstellt, wenn man ein Sinussignal von 0,25 V Effektivwert an den Eingang legt. Und zwar für die Versionen A bis D des Gegenkopplungsnetzwerks. Versionen A und B entsprechen einer frequenzunabhängigen Gegenkopplung. Die Ausgangsspannung bleibt unterhalb von 6 kHz auf hohem Niveau konstant. Dann nimmt der Pegel ab, und zwar halbiert er sich in Version B bei jeder Verdopplung der Frequenz. Minus 6 dB pro Oktave. Version A ist nicht ganz so tragisch. Das Resultat ist aber, dass die Musikwiedergabe etwas blechern klingt, Flöten und Geigen klingen stumpf. Version C hat dieses Problem an und für sich nicht. Auch im Bereich weit jenseits von 10 kHz ist die Verstärkung gleichbleibend, ja zunehmend hoch. Ich musste die Messung bei 6 kHz abbrechen, weil das RC-Dämpfungsglied, das anodenseitig zu Ausgangstransformator parallelgeschaltet ist, Rauchzeichen von sich gab. Fazit: Version C weist den richtigen Weg, tut aber des Guten zuviel. In Version D ist die Frequenzkorrektur etwas zurückhaltender ausgelegt. Man erkennt, dass die Verstärkung zwischen 6 und 12 kHz sogar ein leichtes Maximum hat und bis 16 kHz nicht unter den Wert fällt, den sie bei 1 kHz hatte. Dieser Verstärker aus der audiophilen Abteilung von sauerampfer-online ist ein Spitzenprodukt seiner Klasse, mit einem Frequenzgang von 50 Hz bis 20 kHz plus/minus 3 dB. Was ein paar billige Widerstände und Kondensatoren so alles schaffen, ist durchaus bemerkenswert. Und vom Preis-Leistungs-Verhältnis wollen wir bei dieser Gelegenheit auch noch sprechen. Wieviel hat das Ganze gekostet, werden Sie fragen. Nun, ungefähr 130 Euro musste ich real investieren. Der wichtigste Kostenfaktor waren zunächst das Alugehäuse. Auch Installationsteile wie Kaltgerätebuchse, das Stecksystem für die Verbindung der Module kosten ihren Teil. Die Hochspannungselkos, das Lautstärkepoti, die Lötösenleiste für die Montage der Teile, Röhrenfassungen, Sicherungshalter und die Schalter waren fabrikneu. Da mochte ich keine verschlissenen und oxidierten Ausbauteile verwenden. Die Röhren und Trafos sind Schlachtreste. Zwei 6V6GT habe ich vom Handel neu bezogen. Luxus, denn alte EL 84 hätte ich noch da gehabt. |
Dieser Plan hebt das Gegenkopplungsnetztwerk des Verstärkers hervor. Es hat die Aufgabe, die verstärkte Ausgangsspannung un abgeschwächter und gefilterter Form wieder zum den Eingang des Verstärkers zurückzuleiten, um es dem eigentlichen Tonsignal am Eingang zu überlagern. Ich habe vier verschiedene Versionen ausprobiert, die mit A bis D bezeichnet sind. Das Umbauen ist eine einfache Bastelarbeit, die auch bei laufendem Verstärker stattfinden kann. Alles findet auf niedrigem Spannungsniveau statt. Man kann seine Finger von den hohen Spannungen and Anode und Schirmgitter fernhalten. Es geht nun darum, den Frequenzgang des Verstärkers auf Kosten seiner Spannungverstärkung zur linearisieren. Doch bevor wir ins Detail gehen, möchte ich ein paar Vorüberlegungen anstellen. Die erste Frage ist: wieviel Spannungsverstärkung benötigen wir hier überhaupt ? Wenn man diesen Verstärker voll auszusteuert, der mit knapper Not fast 4 Watt Leistung an einen Ausgangswiderstand von 4 Ω abgeben kann, dann müssen am Ausgang fast 4 Volt Effektivspannung herauskommen, und zwar bei angeschlossenem Lastwiderstand. Ich empfehle bei der Einmessung die Verwendung des Rheostaten anstelle eines echten Lautsprechers, der Nachbarn wegen. Der Line-Ausgang eines CD-Players liefert ungefähr 1 Volt. Mancher billiger MP3-Player schafft sogar nur 0,5 Volt. Legen wir also zur Sicherheit fest, dass unser Verstärker schon mit 0,5 Volt am Eingang und voll aufgedrehtem Lautstärkeregler seine maximale Leistung abgeben können soll, dass also 4 Volt am Ausgang erscheinen mögen. Wenn wir nun das Gegenkopplungsnetzwerk offen lassen, dann stellen wir erfreut fest, dass der Verstärker sehr viel empfindlicher ist. Schon bei 0,08 Volt erreichte ich bei 1 kHz das Maximum. Ein ohrenbetäubender Lärm, wenn ein Lautsprecher dran hängt! Das Pfeifen kann man auch dann noch wahrnehmen, wenn der Rheostat angeschlossen ist, weil das Blechpaket des Ausgangstrafos vibriert. Wenden wir uns nun der Version A bzw. B zu (In Version B hatte ich am Anodenwiderstand der EF 86 einen zusätzlichen kleinen Kondensator parallelgeschaltet, aber das hat sich überhaupt nicht bewährt). Nunmehr wird vom Lautsprecherausgang über den Widerstand R2,A = 2,2 kΩ sowie über die Parallelschaltung von R1 = 2,2 kΩ und C1 = 2 µF ein Teil des Signals an den Widerstand R0 gelegt. Dieser liegt in der Katodenzuleitung der Vorröhre. Die Wirkung von R1 und C1 wollen wir hier erst einmal ausklammern und feststellen, dass man diese Elemente bei ausreichend hohen Frequenzen als Kurzschluss ansehen kann, weil die Impedanz das 2-µF-Kondensators dann sehr klein ist. Befassen wir uns hier mit R1 und C1. Diese beiden Elemente des Netzwerks sind zur Korrektur des Frequenzgangs bei tiefen Frequenzen bestimmt. Die charakteristische Frequenz f1 = 1/R1C1 ist 140 Hz. Darunter nimmt der Scheinwiderstand dieser Kombination von nahe Null bis auf 2,2 kΩ zu. Dadurch halbiert sich die Gegenkopplungssppannung, die bei tiefen Frequenzen nach R0 gelangt. Die Verstärkung erhöht sich. Ich konnte dadurch erreichen, dass der Verstärkungsgrad bis hinunter zu 70 Hz konstant blieb. Der Verstärker hat im Basskeller also eine ganze Oktave an Übertragungsqualität gewonnen! Ein zweigestrichenes Cis. Bei noch tieferen Tönen nimmt der Signalpegel mit 6 dB pro Oktave ab. Seien wir ehrlich: so tief herunter kommt nicht einmal Mozart's Sarastro in der Zauberflöte! |
Hans Martin Sauer 2020