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Ein elektroakustisches Experiment von Hans Martin Sauer

Der Stimmgabel-Resonator

Letzte Änderung: 19.4.2024

Ein ähnliches Experiment: Zum Petrophon

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Inhalt:

10.12.20: Stimmgabel mit magnetischem Tonaufnehmer
11.12.20: Erste Klangversuche mit einem Transistor-Oszillator
13.12.20: Die Stimmgabel synchronisiert einen Röhrenoszillator

Eine Stimmgabel mit magnetischem Tonaufnehmer

Zwei Stimmgabeln in Resonanz

Auch Stimmgabeln, einzeln oder im Paar, werfen interessante Fragen auf. Diese hier schwingen bei einer Frequenz von 440 Hz. Das entspricht dem Kammerton a. Die Frequenz wird mit größter Konstanz eingehalten. Ob man damit auch ein elektrisches Frequenznormal realisieren, ähnlich wie mit einem Schwingquarz? Und kann man die Resonanzfrequenz durch einen gekoppelten elektrischen Oszillator ein wenig verschieben?

Diese beiden sind auf hölzernen Resonanzkästen montiert. Sie können durch Schallwellen Energie austauschen. Die hintere Gabel hat eine verstellbare Klemme an einem Zinken. Damit läßt sich ihre Frequenz um ein paar Hz verschieben. Wenn beide Gabeln angeschlagen werden, hört man eine Schwebungen: der Ton schwillt auf und ab.

So funktioniert der magnetische Tonabnehmer

Die stählernen Gabelzinken sind magnetisierbar. Wenn man eine Spule in die Nähe hält, wird darin eine Spannung mit der entsprechenden Frequenz induziert Das obige Bild zeigt eine solche Spule. Darin steckt ein Ferritstift, der am rechten Ende mit einem Neodym-Magneten an einen Eisenwinkel geheftet ist. Das linke Ende ragt bis auf ein paar Millimeter an den Gabelzinken.

Wenn die Gabel schwingt, dann ändern sich Spaltweite und Feldstärke im Takt der Schwingung. Dies induziert in der Spule eine Wechselspannung, die ich mit dem Oszilloskop aufgezeichnet habe.

Das elektrische Signal des magnetischen Aufnehmers

Hier das Oszillogramm der Schwingung. Es zeigt eine sehr saubere Sinus-Schwingung mit 440 Hz mit einer AMplitude von 300 mVss. Die Amplitude klingt mit der Zeit langsam ab.

Das Fourier-Spektrum der Schwingung

Ein scharfes Maximum des Frequenzspektrums bei 440 Hz zeigt das Oszi, wennn man es eine Fast Fourier Transformation (FFT) des Signals durchführen läßt. Mein Tektronix TDS 220 habe ich dazu in den FFT-Modus geschaltet und die Mittenfrequenz des Spektrums auf 440 Hz verschoben. Im FFT 10-fach-Zoom ist die Frequenzauflösung 12,5 Hz pro Teilung.

Die FFT-Fensterfunktion: Das Spektrum zeigt heine einfache Linie bei 440 Hz, sondern eine Art Pagodenspitze. Das liegt an der sogenannten Fensterfunktion, mit der das Oszi das Zeitsignal auswertet. Hier wurde die Funktion Rechteck verwendet. Alternativ steht auch Hanning zur Verfügung. Dann sieht man tatsächlich eine Linie bei der betreffenden Frequenz.

Schwebung mit zwei Stimmgabeln

Hier habe ich die zweite Stimmgabel dazugestellt. Sie trägt an ihrem linken Zinken eine Metallklammer, die ihre Resonanzfrequenz um etwa 2,5 Hz vermindert. Wenn man eine der beiden Stimmgabeln anschlägt, dann beginnt auch die andere zu schwingen, denn die beiden Gabeln sind über ihre beiden Resonatorkästen miteinander gekoppelt und tauschen über Schallwellen Energie aus. Man hört im Ton eine Schwebung.

Die Schwebung am Oszi

Das elektrische Signal aus der Spule an der vorderen Stimmgabel bestätigt dies. Diese ist unverändert auf 440 Hz eingestellt. Man sieht auf dem Schirm wegen der langsam eingestellten Zeitbasis (0,25 s pro Teilung) nur die Einhüllende der Schwingung. Ungefähr alle 0,4 s hat die Einhüllende einen Nulldurchgang. Der Ton schwellt auf und ab. Die Schwebungsfrequenz ist 2,5 Hz.

Kopplung von Stimmgabel und elektrischem Oszillator

Ein einfacher Transistor-Oszillator

Kann man die Stimm­gabel als eine Art Schwing­quarz nutzen, um ein elektro­nisches Frequenz­normal für 440 Hz zu bauen ? Ich habe mich an diese Dip-Meter-Schaltung von Burkhard Kainka erinnert: Ein einfacher Oszil­lator aus zwei Transis­toren, der an den Schwing­kreis angekop­pelt ist. Der Aufbau, siehe die Spalte links, ist denkbar einfach. Ich habe diese Zylinder­spule aus einem alten Magnet­ventil verwen­det. Sie hat bei 4800 Windungen eine Induk­tivität von 0,32 H. Die Frequenz des Oszil­lators hängt sehr stark von der Betriebs­spannung und vom gemein­samen Emitter­wider­stand der Transis­toren ab. Das Fein­justieren der Frequenz erfolgt mit dem 20-kΩ-Poti. Das ist ein wenig knifflig. Ein Spindel­poti oder eines mit Getriebe ist sehr prak­tisch, denn die Frequenz sollte auf wenige Hz stimmen.

Der Aufbau des Versuchs

Zwei gekoppelte Silizium­transis­toren vom Typ 2N2222 erle­digen Verstär­kung und Rück­kopplung. Mit anderen gängigen Typen, z.B. BC546B, geht es auch.

Das Spannungssignal des Oszillators

Die Schwing­ungen sind nach dem Einschal­ten sofort da. Bei etwa 6-7 Volt liegt die Frequenz schon fast im gewün­schten Bereich. Aller­dings ist die Frequenz des Oszil­lators nicht sehr konstant. Sie fluku­iert gern um ein paar Hz. An den Transis­toren lag es nicht. Ich habe verschie­denen Typen auspro­biert. Jeden­falls: man hört die Stimm­gabel leise, wenn auch ein wenig ungleic­hmäßig schwingen.
Eines wird sehr schnell klar: die Anregung der Stimm­gabel durch den Oszil­lator ist möglich. Aber das klappt nur, wenn die Frequen­zen sehr genau überein­stimmen.

Das Fourier-Spektrum

Das Frequenz­spektrum des Oszil­lators zeigt zwar ein klares Maxi­mum bei 440 Hz, ist aber sehr ver­rauscht. Es gelingt nicht, den Oszil­lator mit der Stimm­gabel dauer­haft zu synchro­nisieren. Die Frequenz­drift des Oszil­lators ist wohl doch zu groß. Aber immerhin. Der Versuch zeigt, dass der Tonab­nehmer auch in die umge­kehrte Richtung funktio­niert, als Schwingungs­erreger.

Stimmgabel mit Präzisionsantrieb

Die Alternative: ein Röhrenoszillator

Details zu Schaltung und Aufbau

Oszillator­schaltung: Ein Oszil­lator mit sehr guter Frequenz­konstanz ist im Schalt­bild links gezeigt. Damit sollte mehr möglich sein!
Es ist ein ganz normaler kapazi­tiver Dreipunkt­oszil­lator mit einer Pentode. Die Konden­satoren Cx und Cg liegen in Serie und bilden mit der Spule L0 den Schwing­kreis. Die Trafo­spule Tr dient als Anoden­drossel für die Pentode. Der Konden­sator Cx ist so gewählt werden, dass die Resonanz­frequenz des Schwing­kreises bei der verwen­deten Spule schon bis auf wenige Hz mit der Stimm­gabel überein­stimmt. Bei mir gelang das durch zwei paral­lele Konden­satoren mit 47 und 10 nF. Ganz exakt gelingt das mit Fest­konden­satoren natür­lich nie. Mit dem Dreh­konden­sator Cvar von 500 pF können die paar letzten Hz dann ganz genau abge­glichen werden.
Pentode oder Triode ? EF 89 oder EF 183, es ging mit beidem. Haupt­sache Pentode. Ich habe auch mit Trioden experi­mentiert: ECC 85 und EABC 80. Das Resultat war bescheiden. Nur mit den Pentoden erhielt ich stabile Schwin­gungen und eine weitaus bessere Frequenz- und Amplituden­konstanz. Das liegt am hohen Wicklungs­widerstand der Schwing­kreis­spule von 6,8 kΩ. Relais­spulen können im Schwing­kreis manchmal schwierig sein. Da benötigt man den hohen Verstär­kungs­faktor einer Pentode.
Aufbau: Ein bisschen mehr sitzt da schon auf dem Steck­brett als beim Transistor-Oszil­lator. Die Röhren­fassung habe ich auf eine 2,54-mm-Stift­leise gelötet (Bild links unten). Dann passt auch das alles kontakt­sicher und platz­sparend oben auf den Hub­tisch.

Wie die Stimmgabel den Oszillator auf ihre Eigenfrequenz zwingt

An der Anode der Röhre erscheint ein mit 180 Vss. (bei UB = 160 V). Ich habe die Frequenz auf 437 Hz getrimmt, also 3 Hz niedriger als der Stimm­gabel­ton. Es entsteht daher eine Schwe­bung. Das ist der Sinus­kurve zunächst nur schwer anzu­sehen, weil die Frequenz­unter­schiede so klein sind. Doch im FFT-Spek­trum wird es klar:

Gezeigt ist der Ausschnitt um 440 +/- 25 Hz. Zu sehen sind die Haupt­schwingung mit 437 Hz und zwei Frequen­zen bei 440 und 434 Hz. Die Ampli­tuden sind in diesem Spek­trum um 10 dB schwächer, doch sie wachsen langsam an. Die Schwe­bung wird immer lauter.
Was dann passiert, zeigt das Video rechts.

Fazit: Mechanische und elek­trische Resonanz lassen sich also tatsäch­lich aufei­nander abstimmen. Die Stimm­gabel synchro­nisiert den Röhren­oszil­lator. Im Vergleich zum Petro­phon ist eine sehr viel präzisere Frequenz­abstim­mung nötig. Woran liegt das ? Im Petro­phon verläuft der Rück­kopplungs­pfad des elek­trischen Oszil­lators über den Reso­nator. Es gibt zwei Tonauf­nehmer: Sensor und Aktor, die vom mecha­nischen Schwinger betätigt werden. Dort kann über­haupt keine andere Fre­quenz entstehen als diejenige, die das mecha­nische System zuläßt. Im vorlie­genden Fall ist das anders: Der Röhren­oszil­lator kann jede beliebige Frequenz erzeugen. Die Stimm­gabel macht durch ihre Reso­nanz die eine Frequenz gegen­über allen anderen nur ein klein wenig "attrak­tiver", aber unter­drückt die Rück­kopplung für die anderen nicht.

Das Video zum Stimmgabel-Versuch

Zum Video

Einfach anklicken! Das Video zeigt das Oszil­lator­spektrum während des Über­gangs in die Synchro­nisation. Es dauert einige Sekunden, ehe sich die Fre­quenzen von Stimm­gabel und Oszil­lator "verhei­raten".
Ich habe im FFT-Modus am Oszi die Fenster­funktion "Flattop" gewählt statt "Rectan­gular", wie links im Bild. Daher sehen die Frequenz­maxima oben ver­rundet aus. Die Form kam mir trotzdem irgendwie bekannt vor.

Der Fünf­finger- oder Hochzeits­turm steht auf der Mathilden­höhe in Darm­stadt. Seit 2021 steht dieser Ort nicht zuletzt aufgrund seiner stilbil­denden ästhe­tischen Formen auf der Liste des UNESCO-Welt­kultur­erbes.